schnipp-schnapp
Haare ab. 🙂
Ungefähr zum Jahreswechsel ging der Mann zum dringend benötigten Friseurbesuch. Es ergab sich eher zufällig, dass wir dabei waren und so das Kind in den Genuß kam, das Innere eines Friseursalons kennen zu lernen. Er fand das Vergnügen eher zweifelhaft, war anfangs ganz neugierig, fing dann aber bitterlich an, zu weinen, als sein Papa unter einem schwarzen Umhang verschwand und nur noch der Kopf zu sehen war. Alles shht shhht, beruhigen und summen/singen half nichts – selbst der große gelbe Ballon, den er geschenkt bekam, wurde erstmal weinend abgelehnt. Erst, als der Mann fertig geschoren wieder bei seinem Kinde stand, beruhigte sich dieser wieder. Dennoch fand er das Haare schneiden und vor allem die Schermaschine sehr spannend und bekundete, dass ihm auch mal die Haare geschnitten werden sollen.
Ich schluckte. Die langen Löckchen? Die wunderschönen blonden seidigen Haare? So weich! Und ich wusste ziemlich genau, dass diese Locken, sollten sie einmal abgeschnitten werden, nicht mehr wiederkommen würden. So war es bei mir nämlich auch – bis zum ersten Schneiden besaß ich wahre Nesthäkchen-Korkenzieher-Locken, danach trug ich langes, glattes, dünnes Spaghetti-Haar spazieren, die ich heute in Dreadlocks verstecke. Andererseits – die Haare fingen langsam an, zu verfilzen. Haare kämmen mag er selbst mit extra angeschafftem Tangle Teezer und entsprechender -Anti-ziep-langhaar-Kämmtechnik (glaubt mir, ich kämme ja jetzt seit 4 Jahren nicht mehr, hatte davor aber hüftlanges Haar und weiß, wie man kämmt, ohne, dass es wehtut) nicht, weil es ihm trotzdem Schmerzen bereitet. Waschen ist auch so ein Thema für sich (machen wir eh urselten, gerade deshalb) und mit Essensverschmierten Händen ins Haar fassen war auch lange Thema. Aber trotzdem…die Löckchen! Die wunderbaren, süßen Löckchen!
Dann hinterfragte ich mich sehr genau. Warum nicht abschneiden? Weil er dann nicht mehr nach Baby aussieht? Weil wir stolz darauf sind, dass unser Junge unangepasst ist? Weil ich nicht Abschied nehmen mag? Ein bisschen von allem war es wohl, wenn ich ehrlich bin. Aber gerade das runde, von Locken umrahmte Babygesicht gab dann schließlich den Ausschlag – ich tendiere nämlich dazu, mein Kind zu unterschätzen und zu beglucken. Ich tendiere leider dazu, ihm zu wenig zuzutrauen. Ich will mein Baby schützen, das liegt im ersten Jahr verwurzelt, was so schwierig bei uns war. Aber er ist eben kein Baby mehr, er ist über 2 Jahre alt und kommt im Sommer in den Kindergarten. Er ist ein toller großer kleiner Junge, der die Treppe im Wechselschritt runtergeht, selbständig Rolltreppen fährt und einen riesigen Spaß daran hat, in unbekannten Gebäuden Verstecken mit mir zu spielen. Er flitzt mittlerweile durch Menschenmengen, um dorthin zu kommen, wo er hinwill (heute: Restaurant beim Ikea) und findet allein den Weg zu mir zurück, wenn ich ihm vorher sage, dass ich genau da und da bin. Er schüttet sich Milch ein, deckt den Tisch, schmiert sich sein Brot selbst und lutscht dabei die Butter direkt vom Messer und isst dann das trockene Brot hinterher. Er wird mit jedem Tag selbständiger und das ist gut so, das macht mich stolz, das ist es, was ich für ihn möchte.
Ich überlegte – wenn er nun nicht mehr so nach Baby aussehen würde, dann würde mir das wohl helfen, ihn altersentsprechend zu behandeln. Und gestern war es dann eben soweit – ganz spontan. Wir waren spät noch im Einkaufscenter, da war ein Friseur und aus einer Laune heraus (spontan kann ich sowas immer besser), fragte ich das Kind, ob er sich die Haare schneiden lassen wolle. Er sagte ja, mit Grinsen im Gesicht. Ich fragte noch einmal nach, und nochmal, und nochmal… Und jedesmal bestätigte er nickend. Und als ich mir sicher war, dass er still halten würde, dass er es wirklich wollte – da gingen wir hin und ließen schneiden. Wie stolz er in seinem Stuhl saß (nein, Mama, ich wollte zwar erst auf deinen Schoß, aber jetzt finde ich es so viel besser) und wie genau er das Geschehen im Spiegel verfolgte! Wir hatten Glück mit der Friseurin, sie war ganz verliebt in unser Kind, schäkerte mit ihm herum, ging mit jeder Bewegung mit und schnitt ihm schließlich eine Kurzhaarfrisur, die aus meinem kleinen Baby ein großes Kindergarten-Kind-to-be macht. Und das ist gut so.
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